Ob mit oder ohne Behinderung: Alle Menschen wünschen sich ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben. Wir haben bei Emmanuele Bacaloni und Mario Garzaner nachgefragt: Wie lebt man Freiheit in den einzelnen Bereichen des Lebens?
Was heißt Freiheit?
Emmanuele Bacaloni: Freiheit heißt für mich, dass ich tun kann, was ich will. Ich fühle mich im Wohnhaus Rosenhain wohl und ich fühle mich gesund.
Mario Garzaner: In manchen Ländern gibt es viele Vorschriften, die verbieten Freiheit auf allen Gebieten. Verstößt man, kommt man ins Gefängnis. Bei uns in Österreich sind die Menschen frei, außer man sitzt im Gefängnis. Ich fühle mich im Wohnhaus am Rosenhain frei, ich kann hinausgehen und meine Spazierrunden machen. Ich kann mein Zimmer gestalten, wie ich will. Da habe ich meine Freiheit.
Wie war das im Lockdown?
Emmanuele Bacaloni: Da fühlte ich mich sehr eingesperrt, weil ich meine Freunde und Bekannten nicht treffen konnte. Das machte mich traurig. Es gibt Menschen, die mir sehr am Herzen liegen, und ich habe in der Lockdown-Situation große Angst bekommen, diese Menschen zu verlieren, weil sie mich nicht mehr wollen.
Mario Garzaner: Im Lockdown kann ich ja trotzdem spazieren gehen. Ich könnte auch telefonieren, aber das will ich nicht so gerne. Wenn ich in Quarantäne bin, bleibe ich in meinem Zimmer. Ich habe immer was zu tun. Das stört mich nicht.
Wann fühlt ihr euch nicht frei?
Emmanuele Bacaloni: Wo ich mich nicht frei fühle: Ich kann nicht auf Urlaub fahren. Ich brauche Unterstützung und Urlaub kostet viel Geld. Außerdem gibt es jetzt keine Urlaubsangebote. Freiheit ist für mich, wenn ich mit einem Golf GTI, der von mir aufgemotzt ist, so richtig weit wegfahren kann. Das wäre für mich so ein richtiges Freiheitsgefühl. Aber da bin ich wieder eingeschränkt, weil ich nicht will, dass wer Angst um mich hat – Sorgen um mich, dass ich vielleicht einen Unfall haben könnte. Aber das freut mich auch, dass sich wer kümmert um mich. Das schränkt die Freiheit ein, aber beruhigt mich wieder. Ich brauche Menschen, die mir zeigen, dass sie mich mögen und sich Sorgen um mich machen. Das macht unfrei, aber das ist was Schönes.
Mario Garzaner: Ich mache nichts Gefährliches. Ich bewege mich so frei, wie ich will. Und ich fühle mich da rund um den Rosenhain wohl. Unfrei bin ich, wenn ich im Zeitdruck bin. Wenn ich Stress habe, weil die Zeit kurz ist. Wenn ich kein Geld mehr habe, kann ich nicht einkaufen, was ich will. Das ist eben so. Dann schaue ich fern, statt wegzufahren. Freisein heißt nicht, dass ich alles tun darf, was ich will. Wenn jeder das tut, was er will, kommt ein ganz schönes Chaos raus.
Wann braucht ihr Unterstützung?
Emmanuele Bacaloni: Ich brauche eine Unterstützung oder Hilfe, damit ich zu meinen Freunden fahren kann. Ich brauche auch im Alltag Unterstützung. Ich bekomme alles, was ich will, aber ich muss Geduld haben bis wer Zeit hat. Das schränkt mich ein, weil ich auf andere angewiesen bin.
Mario Garzaner: Mein Bezugsbetreuer teilt mir mein Geld ein. Dem vertraue ich. Alleine schaffe ich das nicht. Da kenne ich mich nicht aus. Aber wie gesagt, ich kann frei entscheiden, was ich will.
Wie sieht es mit der Gesundheit aus?
Emmanuele Bacaloni: Ich fühle mich sehr gesund. Ich habe ein Sauerstoffgerät, das kann ich überall hin mitnehmen. Ich habe das Rauchen schon vor Jahren aufgegeben. Und Alkohol trinke ich keinen Tropfen mehr. Das ist eine große Freiheit für mich. Ich kann ins Gasthaus gehen und ein Cola trinken, ohne dass ich eine Zigarette rauchen muss. Ich denke nicht mehr daran. Darauf bin ich sehr stolz. Das ist für mich die große Freiheit! Mit meinem Rollator kann ich super gehen, aber es dürfen keine Stiegen sein.
Mario Garzaner: Nein, Rauchen tu ich nicht und habe ich nie getan. Auch wegen des Essens fühle ich mich frei. Ich kriege meinen Brei und trinke meine Milch. Die Betreuer schauen, dass immer Milch im Haus ist, sonst kann man sie an der Tankstelle gleich ums Eck kaufen.
Schränkt das Alter ein?
Emmanuele Bacaloni: Ich bin ich keine 20 Jahre mehr jung. Mit 58 Jahren bin ich eingeschränkt und eigentlich habe ich ganz andere Interessen. Im Gedanken bin ich jung und habe viele Ideen. Wenn ich junge Menschen sehe, dann habe ich Angst, dass ich zu alt bin für Freunde und verlassen werde.
Mario Garzaner: Das Alter schränkt mich nicht ein. Ich bin sehr zufrieden mit mir selber.
Text: Emmanuele Bacaloni und Mario Garzaner
Unterstützt von: Eva Tscherning