Denise Luttenberger, Jacqueline Kaspar, Kevin Neubauer, Jan Gölles und Lukas Mörth haben sich zusammengesetzt, um das Thema “Selbstbestimmung” zu besprechen. Wie sie darüber denken, erfahrt ihr in dem aufgeschriebenen Gespräch.
Was bedeutet der Begriff Selbstbestimmung für euch?
Jacqueline: Dass ich selbst entscheiden kann, was ich tun mag und was für mich auch gut ist.
Denise: Einfach selbst Entscheidungen zu treffen.
Lukas: Ich bestimme mich selbst. Also ich bestimme selbst, was ich machen will und was ich tue.
Kevin: Wenn ich das Thema Geld hernehme, etwas selbst kaufen will, bestimme ich es selbst. Und ich entscheide: Brauche ich etwas oder brauche ich es nicht?
In welchen Bereichen habt ihr das Gefühl, selbstbestimmt zu sein?
Jacqueline: Zum Beispiel, was ein Tattoo oder Nasenpiercing betrifft. Alles, was halt ab 18 erlaubt ist, bestimme ich selbst. Ich brauche nicht jedes Mal die Eltern zu fragen.
Denise: Ich bestimme alles selbst, außer was meine Gesundheit und Geld betrifft. Manchmal bestimme ich auch gesundheitsmäßig selbst, also Arzttermine oder so. Nur was zum Beispiel eine Operation betrifft, habe ich meinen Sachwalter um Rat gefragt, da habe ich eine zweite Meinung eingeholt. Solange ich selbst entscheiden kann, entscheide ich selbst, sobald ich es nicht mehr kann, übernimmt er es.
Sollte jeder Mensch alles in seinem Leben entscheiden dürfen?
Jacqueline: Nein, wenn zum Beispiel ein 13-jähriges Mädchen Alkohol trinkt, kennt es ja die Folgen nicht. Ich würde sagen, wenn das Mädchen meine Tochter wäre, dass sie erst mit 16 Alkohol trinken darf und harte Sachen erst ab 18.
Also würdest du dem Gesetz folgen?
Jacqueline: Ja.
Und wenn sie 18 ist?
Jacqueline: Ich würde ihr das erlauben, weil sie volljährig ist und tun und lassen kann, was sie will.
Denise: Das Gleiche ist mit dem Rauchen. Wenn sie volljährig ist, würde ich es erlauben. Denn wenn du es verbietest, macht sie es eh heimlich.
Ist Selbstbestimmung begrenzt? Wo sollte jemand nicht mehr selbst bestimmen?
Denise: Wenn jemand Selbstmordgedanken hat.
Was wäre dann?
Denise: Dann bestimmt halt der oder die Angehörige.
Jacqueline: Zum Beispiel, als ich meiner Betreuerin erzählt habe, dass ich Selbstmordgedanken habe, da hat sie es erzählt, damit ich psychologische Hilfe bekomme.
Denise: Auch ein Alkoholiker soll nicht mehr selbst entscheiden dürfen.
Wie soll das ablaufen?
Denise: Den Führerschein wegnehmen oder das Auto wegnehmen. Damit er nicht betrunken am Steuer sitzt.
Jacqueline: Ja, die Autoschlüssel wegnehmen.
Denise: Sobald du merkst, dass er noch mit dem Auto fahren möchte, soll man ihm es wegnehmen.
Wer darf das entscheiden?
Jacqueline: Die Polizei.
Denise: Bei einem Kollegen, der Alkoholiker ist, da entscheidet der Sachwalter.
Was bestimmt er?
Denise: Dass er gar nicht mehr fahren darf.
Was ist der Grund, warum jemand anfängt, für einen anderen zu entscheiden?
Denise: Wenn er selbst nicht mehr entscheiden kann, was richtig oder falsch ist. Dann sollte jemand anderer entscheiden. Wie bei mir mit der Gehirn-Operation. Ich habe das auch nicht selbst entscheiden können, ich habe meinen Sachwalter gefragt, ob er mir helfen kann.
Aber was, wenn ich ein anderes Empfinden habe, was gut oder schlecht ist?
Denise: Dann ist er wirklich selber schuld.
Da sind wir bei der Verantwortung, was bedeutet Verantwortung für euch?
Jacqueline: Dass ich jetzt seit Kurzem alleine mit den Öffis zur Arbeit fahre, das ist auch Verantwortung für mich.
Gibt es Gründe, wann man jemanden nicht mehr für etwas verantwortlich machen kann?
Denise: Wenn jemand psychisch krank ist.
Was ist bei kleinen Kindern?
Denise: Die können nicht bestimmen, was gut und was nicht gut ist. Weil sie zu jung und unerfahren sind.
Ab wann ist man dann selbst verantwortlich?
Denise: Ich habe in der Volksschule angefangen, mir selbst Verantwortung zu übertragen.
Kevin: Bei mir war das so zwischen 15 und 18.
Ab wann ist man dann erwachsen?
Denise: Man darf zum Beispiel bei der Polizei erst eine Aussage machen, wenn man volljährig ist. Sonst brauchst du einen Erziehungsberechtigten dafür.
Hast du das Gefühl, du bist erwachsen?
Denise: Ja.
Jacqueline: Sowas von! Aber innerlich kann man immer kindisch sein.
Kevin: Ja, ich fühl mich schon als Erwachsener
Jan: Bei mir kann man sagen, ich bin schon noch kindlich, aber ich bin von meinen Eltern wirklich zu einem erwachsenen Menschen erzogen worden.
Bleibt man im Leben stehen, wo man ist?
Jacqueline: Kommt darauf an. Man kann sich ja weiterentwickeln. Wie ich in den letzten Monaten. Ich war sehr anhänglich bei meinen Eltern. Aber irgendwann habe ich gesagt, es reicht. Sogar meine Betreuer haben gesagt, dass ich mich voll weiterentwickelt habe.
Denise: Man kann sich immer weiterentwickeln. Wenn man zum Beispiel eine eigene Familie gründet. Weil dann musst du vielleicht schauen, dass es dem Kind und dem Ehemann gut geht.
Also entscheidet man als Erwachsener plötzlich wieder für andere?
Jacqueline: Mein Vater hat sogar mit 18 noch über mich bestimmt. Ich hab dann aber gesagt: “Nein Papa, es reicht mir. Ich bin volljährig, ich kann machen, was ich will. Ich will ausziehen.” Das ist halt ein Lebensschritt weiter für mich.
Habt ihr in letzter Zeit eine Entscheidung gegen den Willen eurer Angehörigen getroffen?
Kevin: Nein, eigentlich nicht. Was meine Gesprächs-Therapie betrifft, habe ich meine Eltern gefragt, ob sie was dagegen haben. Ich habe gesagt: „Das hat nichts mit euch zu tun, aber ich kann sonst manche Dinge nicht verarbeiten.“ Aber wenn meine Eltern nein gesagt hätten, dann wäre das halt so gewesen.
Du hättest die Entscheidung deiner Eltern akzeptiert?
Kevin: Ja. Aber meine Eltern stehen voll hinter mir. Sie haben gesagt, wenn es dir guttut, warum nicht.
Und bei dir, Denise?
Denise: Ich habe ja einen Schlaganfall gehabt und alle haben gesagt, ich muss unbedingt zum Rauchen aufhören.
Also: Ich darf keinen Alkohol mehr trinken wegen der Epilepsie, ich darf nicht mehr in die Disko gehen, wegen der Lichter, ich muss die Tabletten einnehmen, wegen der Epilepsie, ich muss aufpassen. Ich bin vorher gerne reiten gegangen, das geht jetzt nicht mehr, ich hab vorher viel Sport gemacht, das geht jetzt auch nicht mehr. Und dann soll ich noch zum Rauchen aufhören? Ich lass mir echt nicht alles nehmen!
Text: Denise Luttenberger und Jacqueline Kaspar
Unterstützt von Kevin Neubauer, Jan Gölles und Lukas Mörth