Die Stationen im Leben in der Form von Straßen in Wien: Martin Schwerter berichtet über 40 Jahre in der Lebenshilfe Wien. Sein Weg hat ihn durch ganz Wien geführt.
Schottengasse
Mit 18 Jahren habe ich in der Lebenshilfe Wien in der Schottengasse zu arbeiten angefangen. Das war 1980. Ich war dort 20 Jahre lang. Ich habe dort einen Monat lang Küchendienst gemacht. Die Küchengruppe wurde aufgelöst und wir mussten alle 14 Tage Küchendienst machen.
Wir haben dort Knöpfe und Kugelschreiber gemacht. Ich habe dort auch getöpfert, Teppiche gewebt und Bilder gestickt. Ich habe die Entwürfe selber mit Bleistift gezeichnet. Ich habe auch Tonschilder gemacht. Wir haben auch für ein Hotel Spucknäpfe aus Ton gegossen.
Wir sind mit der Werkstatt auch auf Urlaubsaktion gefahren. Die 1. Urlaubsaktion war in Oberösterreich. Es war recht lustig. Da hat es noch Schilling gegeben. Wir sind im Sommer und im Winter auf Urlaubsaktion gefahren. Die Urlaubsaktionen haben damals noch 7 Tage gedauert. Von Freitag bis Freitag.
1998 habe ich bei den Special Olympics teilgenommen. In der Staffel habe ich den 1. Platz im Schwimmen gemacht. Meinen Vater hat es sehr Stolz gemacht und er hat gesagt: “Wenn ich komme, machst du den 1. Platz.”
Wie ich in der Schottengasse war, habe ich mir meine erste Kamera gekauft. Die war noch mit Kassetten. Sie hat 300 Schilling gekostet. Ich habe viel damit gefilmt.
Schönbrunner Straße
Dann habe ich in die Werkstatt in die Schönbrunner Straße in die Haushaltsgruppe gewechselt. Das war in einer Wohnung. Es haben nur 8 Leute in der Gruppe in der Wohnung gearbeitet. In der Schönbrunner Straße habe ich Wäsche gewaschen, bin einkaufen gegangen, habe Schuhe geputzt und den Boden aufgewischt. Wir sind auch in alle 14 Tage in ein Wohnhaus der Lebenshilfe Wien gefahren und haben dort Betten überzogen. Ich habe von 2000 bis 2002 in dem Kurs gearbeitet. Es war eine sehr interessante und lustige Zeit.
Ich habe auch mit der Tochter einer Betreuerin Karten gespielt. Ich habe ein gutes Gefühl für Kinder und ich kenne mich gut mit Kindern aus. Ich habe früher auf 4 Kinder aufgepasst. Ich habe mit ihnen viel Blödsinn gemacht. Ich habe ihnen das Springen und Köpfeln beigebracht.
Ich habe von der Mutter der Kinder einen violetten VW-Bus als Dankeschön fürs Aufpassen bekommen. Ich habe dann begonnen, Modellautos zu sammeln.
Ich habe dort auch mein erstes Handy bekommen. Mein erstes Handy war ein Ericson-Wertkartenhandy. Jetzt habe ich schon ein angemeldetes Samsung Smartphone. Damit rufe ich mich oft mit dem Fahrtendienst zusammen.
Dresdnerstraße
Ich habe dann im August 2002 in die Werkstatt in die Dresdnerstraße gewechselt. Dort war ich in der Industriegruppe. Ich habe für die Stecker Kabeln gemacht und verpackt. Ich habe dort auch die Post nach Postleitzahl sortiert.
In der Werkstatt hat es auch ein Kaffeehaus gegeben. Im Kaffeehaus war ich öfters an der Kassa eingeteilt, weil ich gerne Kopf gerechnet habe. Die Betreuerin hat mir Rechnungen aufgeschrieben, wenn keine Arbeit war. Ab und zu, wenn die Gartengruppe außer Haus war, habe ich die Blumen gegossen. Meine Mama und ich haben auch in der Steiermark viel im Garten gearbeitet. Wir haben Blumen eingesetzt und umgesetzt. Ich habe den Kollegen auch beim Laub rächen geholfen.
In der Dresdnerstraße war ich Stellvertreter vom Gruppensprecher. Wir haben über Themen geredet, die für unsere Werkstätte wichtig waren.
Ich habe mich auch dafür eingesetzt, dass die Gruppe mehr Lohn bekommt und das Taschengeld Lohn heißt. Ich wollte auch, dass die Urlaubsaktionen billiger werden.
Ich habe mit einem Betreuer auch Sachen abgeholt und geliefert. Eine Lieferung waren Leiberln, die wir zuerst gefaltet haben.
Ich war auch mit dieser Werkstatt auf Urlaubs-Aktionen. Eine Urlaubs-Aktion haben wir in der Oststeiermark gemacht, in dem Ort, in dem meine Mama aufgewachsen ist. Ich habe auch Ortschaften besucht, welche ich aus meiner eigenen Kindheit kannte. Es hat mir gefallen, meine Gruppe durch meine Vergangenheit zu führen. Sie fanden das auch interessant, wo ich aufgewachsen bin. Wir besuchten auch das Stoanihaus in Gasen.
Nobilegasse
Von der Dresdnerstraße bin ich in die Nobilegasse gegangen. Der Leiter von der Dresdnerstraße hat mir erzählt, dass es eine neue Gruppe in der Nobilegasse gibt. Das ist die Gruppe Exakt. Er würde sich wünschen, dass ich dort hin wechsle. Ich habe gefragt, ob meine Kollegin Heidi auch wechselt. Ohne sie gehe ich nicht. Wir sind dann gemeinsam in die Nobilegasse gekommen. An einem Freitag bin ich von der Dresdnerstraße weggegangen und am Montag habe ich gleich in der Nobilegasse begonnen.
Wir haben dort allerlei gemacht. Wir haben Zivildiener-Einschulungen gemacht und Betreuer-Einschulungen. Wir haben Vorträge an der SOB, der Schule für Sozialbetreuungsberufe gehalten.
Wir haben Handpuppen entworfen. Wir haben damit Puppentheater gespielt. Meine Puppe hat Herbert geheißen.
Wir haben auch die Homepage der Lebenshilfe Österreich auf Leichte Sprache kontrolliert. Wir haben auch Küchendienst machen müssen. Wir haben dort auch neue Kollegen kennengelernt. Die Betreuerin aus der Exakt-Gruppe habe ich schon aus der Werkstatt in der Schottengasse gekannt. Ich habe dort wieder alte BetreuerInnen und KlientInnen getroffen. Ich habe mir leicht getan mit dem Kennenlernen der neuen Leute. Die Exakt-Gruppe ist neu gegründet worden. “Exakt” heißt “Experten aktiv”. In der Gruppe haben Personen aus verschiedenen Werkstätten zu arbeiten begonnen. Ich habe 5 Jahre in der Gruppe Exakt gearbeitet.
Pohlgasse
2012 bin ich von der Nobilegasse in die Pohlgasse gekommen, in die Gruppe MiT. Die MiT-Gruppe hat sich aus der Selbstvertretergruppe herausgebildet. Wie die MiT-Gruppe gestartet hat, war ich gerade in der Steiermark auf Urlaub. Als ich zurückgekommen bin, habe ich dann in der MiT-Gruppe gestartet. Der Leiter aus dem Wohnhaus hat mich in die Gruppe gebracht.
Am Anfang der MiT-Gruppe haben wir den Fluss des Lebens gemacht. Jeder hat von seinem Leben erzählt. Die MiT-Gruppe setzt sich für Mitsprache in der Lebenshilfe Wien ein. Die MiT-Gruppe hat Werkstatträte aufgebaut. Die MiT-Gruppe unterstützt die Werkstatträte bei ihrer Arbeit. Ich unterstütze die Werkstatträtin aus der Werkstatt 15. Wir organisieren auch Austauschtreffen für die Werkstatträte. In der MiT-Gruppe tippe ich Berichte am Computer ab. Wir halten Vorträge an der SOB, der Schule für Sozialbetreuungsberufe.
So habe ich fast alle Werkstätten kennengelernt. Ich kenne viele Leute aus der Lebenshilfe Wien.
Leberberg
2003 zog ich von Zuhause aus, von dem 9. Bezirk in den 11. Bezirk, in ein Wohnhaus der Lebenshilfe Wien. Ich bekam eine kleine Trainingswohnung als Zimmer. Ich bekam vom Wohnhaus 30 Euro in der Woche, ging zum Merkur einkaufen und verköstigte mich so selbst. Am Wochenende aß ich mit den anderen KlientInnen mit. Jeden Donnerstag bin ich mit der Regelfahrt in den Club 21 gefahren. Zurück fuhr ich mit der Freizeitfahrt. Ich habe 3 andere KlientInnen mit nach Hause zum Wohnhaus genommen. Es war recht lustig mit den anderen KlientInnen, besonders gut habe ich mich mit Hermine verstanden. Mit ihr bin ich jeden Dienstag in die Rollingergasse zum teilbetreuten Wohnen auf Besuch gefahren. Wenn das Wetter schön war, sind wir Eis essen gegangen. Auf dem Weg haben wir uns die Auslagen der Geschäfte angeschaut.
Mit meiner Bezugsbetreuerin habe ich einen Laptop für mich gekauft. So habe ich mit dem Computerkurs angefangen. Jetzt habe ich schon den dritten Lehrer und schreibe meine Biografie, den Fluss des Lebens.
Rollingergasse
Im November 2014 bin ich von dem 11. in den 12. Bezirk gezogen. In die Rollingergasse, welche ich vorher öfters besuchte. Ich bin dann in die Außenwohnung eingezogen. Mit meinem neuen Mitbewohner, den ich schon aus der Selbstvertretung kannte, verstand ich mich sehr gut. Meine damalige Arbeit war nur einen Fußweg entfernt. Wegen des Zufußgehens habe ich mich wohlgefühlt. Auch das selbstständige Wohnen ist mir leicht gefallen. Ich habe die Ruhe gebraucht und genieße sie noch immer.
Auf der Meidlinger Hauptstraße kann ich einkaufen und den Flohmarkt besuchen. Beim Bummeln habe ich mir eine Österreich-Fahne gekauft. Ab und zu schaue ich, ob es interessante Sachen auf dem Flohmarkt gibt.
Nach wie vor besuche ich jedes zweite Wochenende meine Mama und meine Schwester. Manchmal gehen wir zusammen einkaufen und ich helfe, die schweren Sachen mit einem Wagerl nach Hause zu bringen. Mit meiner Mama gehe ich auch alle zwei Wochen zum Friseur meinen Bart stutzen lassen.
Text: Martin Schwerter